Tobias Stolp: „Ich denke wir werden dieses Jahr mehr unterschiedliche Rennsieger sehen als noch im letzten Jahr“
Hallo Tobias,
knapp 5 Jahre dabei und bereits 4 Titel im Gepäck. Somit ziehst du gleich mit Kevin Pflüger der ebenfalls als einziger Fahrer 4 Titel holen konnte. Eine außergewöhnliche Leistung und mit Sicherheit reif für die Formel1-Liga Geschichtsbücher. Wie stolz bist du auf diese Leistung und gab es Momente in der Saison in denen du Zweifel hattest das es für Titel Nr.4 nicht reichen könnte?
Tobi: Hallo und vielen Dank für das Interview.
Bei meinem Einstieg vor etwa 5 Jahren hätte ich niemals damit gerechnet, dass ich stand heute vier Fahrer-Titel inne haben würde. Ich war zuvor schon in verschiedenen anderen F1 Ligen unterwegs und da war ich meist eher ein Top5 Fahrer mit gelegentlichen Podiumsplatzierungen. Damals war ich aber auch noch mit einem Logitech Driving Force GT unterwegs und welchen Unterschied die Hardware in rFactor2 machen kann, hat man hier in der Liga auch schon mehrfach sehen können. Das ich damals so ziemlich ahnungslos war was die Abstimmung des Fahrzeugs betrifft, war bestimmt auch einer der Gründe, dass es nicht bis ganz nach vorne gereicht hat.Jetzt wenn ich mit etwas Abstand auf die letzte Saison zurückblicke, kann ich sagen, dass es bisher so ziemlich die härteste Saison für mich war. Ganz besonders Mario Söllner zeigte bereits zu Saisonbeginn wie schnell er dieses Jahr sein würde. Aber auch generell konnte man sehen, dass das Fahrerfeld sehr dicht zusammen ist, teilweise hatten wir 10-12 Fahrer innerhalb einer Sekund zueinander. Mein Saisonstart lief erstmal optimal, allerdings schlichen sich ab dem fünften Saisonrennen diverse technische Probleme ein. In Spanien konnte ich nach meinem ersten Boxenstopp plötzlich nur noch 80% Vollgas geben und verlor so einen ziemlich sicher geglaubten Sieg. Im Mai bin ich dann umgezogen und musste meinen Internetanbieter wechseln, daraus ergaben sich weitere Probleme, die ich so nicht erwartet hatte. In Baku, sowie Kanada und Ungarn flog ich jeweils beim Umschalten in eine der Qualifikations-Sitzungen vom Server. So musste ich in Baku wie auch in Ungarn von fast ganz hinten starten und in Kanada schaffte ich es immerhin noch in Q3 bevor ich die Verbindung zum Server verlor.
Die Rennen waren dann schon eine andere Herausforderung wenn man sich zum Teil vom Ende des Feldes nach vorne kämpfen muss. Ich war natürlich zwischen den Rennen immer auf Fehlersuche und dachte vor jedem weiteren Rennen, ja jetzt hast du den Fehler gefunden und dann passierte es am Rennabend doch wieder…
Zu dem Zeitpunkt war mein Gedanke wenn es so für den Rest der Saison weitergeht, dann wird es äußerst schwierig mit dem vierten Fahrertitel. Zum Glück konnte ich den Fehler vor dem Großen Preis von Belgien finden und ich konnte wieder am kompletten Qualifying teilnehmen.
In diesem Jahr gehen Daniel Böhme und du nicht mehr in Schwarz-Gelb an den Start und auch der Name Renault wird verschwinden. Alpine ist nun der neue Name des Rennstalls für den ihr an den Start geht. Freut ihr euch in neuen Farben zu starten oder werdet ihr den Schwarz-Gelben Renner in dem ihr auch als Team viele Erfolge feiern konntet vermissen?
Tobi: Es wird schon eine leichte Umstellung werden jetzt mit den komplett anderen Farben an den Start zu gehen. Das Schwarz-Gelb hat uns schließlich die letzten Jahre durchgehend begleitet, allerdings finde ich die neue Lackierung sogar noch etwas schöner und optisch ansprechender als die vorherige Lackierung. Ich hoffe einfach das uns der neue Name mindestens genauso viel Glück bringen wird, wie es der Name Renault getan hat.
In der letzten Saison konntest du 13 von 17 Rennen für dich entscheiden und 10 Poles einfahren. Alles in allem trotz kleiner Rückschläge wieder eine sehr dominante Saison in der du am Ende ganze 111 Punkte Vorsprung zu Platz 2 mit Mario Söllner hattest. Wie sehr konnten dich die anderen Fahrer überhaupt unter Druck setzen und wen siehst du für die nächste Saison als ernsthafte Bedrohung für „Mission Titel Nr.5“ an?
Tobi: Schaut man nur auf den Punktevorsprung, so sieht das Ganze sehr eindeutig und für den Außenstehenden vielleicht nach einer langweiligen Saison aus. Diese Zahlen sagen jedoch nichts über die eigentlichen Rennverläufe und auch die Qualifikationen aus. Vor allem im Qualifying hatten wir teilweise mehrere Fahrer innerhalb einer Zehntelsekunde und wenn ich mich jetzt nicht irre, gab es auch ein Rennen in dem die ersten drei Fahrer innerhalb weniger Hundertstel bis Tausendstel lagen. Und die Rennen hatten es mindestens genauso in sich.
Zwar konnte ich 13 von 17 Rennen gewinnen, dafür musste ich mich jedoch oft ordentlich strecken und musste stets an meinem Limit fahren um die Führung zu behaupten und letztlich den Sieg einzufahren. Für die „Mission Titel Nr. 5“ gibt es wohl so einige Bedrohungen dieses Jahr. Hier ist an erster Stelle Mario Söllner zu nennen, der mir letztes Jahr das Leben oft wirklich schwer gemacht hat und in der Vorbereitung bereits gezeigt hat, wie schnell er aktuell schon ist. Dazu gesellen sich dann noch Namen wie Kai Engelsiepen, Ralf Bohnert und Rolando Tejeda. Gespannt bin ich auch wie sich unser Rückkehrer Mark Zopp schlagen wird. Und auch die beiden Zunker Brüder sind für mich auch so Kandidaten für den einen oder anderen Saisonsieg.
Ich denke wir werden dieses Jahr mehr unterschiedliche Rennsieger sehen als noch im letzten Jahr, denn das Fahrerfeld ist besonders an der Spitze nochmal enger zusammen gerückt.
Mit insgesamt 4 Konstrukteurs-Titeln, und das in Folge sind Daniel Böhme und du die erfolgreichste Fahrerpaarung die in dieser Liga angetreten ist. Wie sehr schätzt du die Zusammenarbeit mit deinem Teamkollege und pusht man sich gegenseitig noch genauso wie in den Anfangsjahren um sich immer wieder auf ein neues Niveau zu bringen?
Tobi: Ich wiederhole mich wahrscheinlich, aber die Zusammenarbeit hat von Anfang an einfach gestimmt. Über die Jahre hat sich auch die Vorliebe, wie das Auto abgestimmt sein muss näher zusammengeschoben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Daniel sich zu Beginn doch relativ schwer mit meinen Setups getan hat, vor allem was die Tendenz zu doch etwas mehr übersteuern in meinen Setups betrifft. Das macht das gemeinsame Arbeiten an der Fahrzeugabstimmung um einiges leichter, wenn man nicht in zwei unterschiedliche Richtungen entwickeln muss. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was wir diese Saison noch gemeinsam an Potential aus dem Auto herauskitzeln können. Das erste Rennen wird schon ein kleiner Wegweiser werden, aber ich denke was wirklich mit dem Fahrzeug möglich ist, werden wir erst nach den ersten drei Rennen so richtig einschätzen können. Wir werden definitiv alles geben, um weiterhin als Team so erfolgreich zu sein, wie wir es in der Vergangenheit bereits mehrfach unter Beweis stellen konnten.
Der Saisonstart in Melbourne steht kurz bevor. Hast du die Winterpause genossen und Kraft gesammelt oder hast du dich weiter Fit gehalten und das Lenkrad doch das ein oder andere mal ausgepackt? Zudem natürlich so kurz vor dem Saisonstart die Frage: Wie liefen die ersten Tests im neuen Boliden, fühlst du dich wohl im Auto und welche Ziele peilen du und natürlich auch das Team Alpine für die Saison 2021 an?
Tobi: Die Winterpause war dieses Jahr wirklich eine richtige Pause in der ich das Lenkrad überhaupt nicht angepackt habe und versucht habe meine Akkus so gut es geht wieder aufzuladen. Jetzt bin ich sehr gespannt auf den Saisonstart, aber auch etwas nervös, da ich diese Jahr erst relativ spät in die Vorbereitung eingestiegen bin und ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollkommen mit der Balance des Fahrzeugs zufrieden bin. Stand jetzt werden wir wohl mit einem fast vollen Fahrerfeld ins erste Saisonrennen in Melbourne gehen, dass wird dann direkt ein richtiges Highlight und es bleibt schon jetzt zu hoffen, dass dort in den ersten Kurven bei so vielen Fahrern alles einigermaßen gesittet zugehen wird.
Als Ziele setze ich mir persönlich die Verteidigung meines Fahrertitels und als Team möchten wir ebenso wieder die Konstrukteurs-WM gewinnen. Ich denke dafür werden wir als Team und auch ich persönlich dieses Jahr sehr kämpfen müssen, aber dafür sind wir doch auch alle hier, denn wir suchen immer eine neue Herausforderung an der wir uns messen und weiter wachsen können.
Vielen Dank für deine Zeit. Wir wünschen dir einen guten Start in die neue Saison 2021!