Rennbericht Spa: Friesisch herb

Zum zweiten mal in dieser Saison nach Baku, nahmen die beiden Tyrrell-Piloten den Großen Preis von Belgien in Spa-Franchochamps geschlossen aus der ersten Startreihe in Angriff. Diesesmal gelang es den Zunker-Brüdern sogar, die Doppelführung über die ersten Kurven hinaus zu verteidigen. Doch als Lars Zunker schon wie der sichere Sieger des hart umkämpften 9. Saisonlaufs aussah, schlug der Defektteufel zu. 10 Kilometer vor dem Fallen der karierten Flagge strandete der WM-Vierte in Pouhon und fiel auf den siebten Platz zurück. Den Sieg erbte schließlich WM-Leader Tobias Stolp – mal wieder! Der Alpine-Pilot gewann zum siebten mal in Folge und baute dadurch seine Führung im Gesamtklassement auf 68 Punkte aus. Nächster Verfolger ist nunmehr Kai Engelsiepen, der nach durchwachsener Qualifikation eine starke Aufholjagd hinlegte und den zweiten Tyrrell über den Undercut schlug. Platz drei für Tobias Zunker dürfte angesichts der dahinschwimmenden Fälle in der Team-Wertung ein schwacher Trost für die friesische Traditionsmannschaft sein. Michael Oswald holte bei seinem Debüt im Alfa-Romeo direkt zählbares, auch weil Eau-Rouge seinem Ruf auch in der virtuellen Realität einmal mehr gerecht geworden ist.

Es braucht nicht viele solcher Tage, wie die schwarz-weiße Nacht von Baku, um das Rennen zumindest um die Team-Meisterschaft offen zu halten – die Gesamtwertung gar zu ihren Gunsten zu drehen – hatte es im Rennbericht zum sechsten Lauf der Meisterschaft in Aserbaidschan geheißen, als Tyrrell drauf und dran war, die seinerzeitige WM-Führung mit einem starken Ergebnis erheblich auszubauen. Seitdem hat sich aber einiges verändert. Während Lars Zunker seinem zweiten Platz von Baku in Silverstone einen weiteren Pokal folgen ließ erlebte Teamkollege und Bruder Tobias nach dem ersten Podium seiner Laufbahn in Monaco mit Platz acht in Baku, neun in Montreal und 13. in Silverstone die bisher schwächste Phase seiner Saison. Der Vorsprung von vier Punkten gegenüber Alpine, mit denen man ans schwarze Meer angereist war um dort die erste Doppel-Pole eines Teams seit mehr als drei Jahren zu feiern, hatten sich innerhalb der drei darauffolgenden Rennen so in einen Rückstand von 21 Punkten verwandelt. Es brauchte also mal wieder so einen Tag, wie die schwarz-weiße Nacht von Baku, sollte der WM-Zug der Konstrukteure nicht vorzeitig ohne die Tyrrell-Jungs den Bahnhof verlassen – nur dieses mal bitte auch exekutiert.

Zurück aus der Sommerpause: Das erste Klassenfoto der zweiten Jahreshälfte verspricht bereits jede Menge Action.

Und Tyrrell schien die Mission verstanden zu haben. Schon in der Vorbereitung auf den neunten Saisonlauf, dem ersten Rennen nach siebenwöchiger Sommerpause, tauchten die Zunker-Brüder regelmäßig am oberen Ende des Zeitenmonitors auf. Tobias Zunker gelang dabei als einzigem der 20 Piloten, die sich der Ardennen-Achterbahn stellten eine Zeit unter der Marke von 1:39,0 und verwies so Kai Engelsiepen auf die zweite Position, gefolgt vom heißeren Eisen im Tyrrell-Feuer, den um zwei Jahre jüngeren Bruder mit der Startnummer 62. Denn Rennzeiten der schwarz-weiß lackierten Renner sahen zwar nicht so überlegen aus, wie noch inj Baku – das taten sie aber bei keinem. Im Gegenteil: Die Tyrrell, Tobias Stolp und Kai Engelsiepen waren ebenso in derselben Zehntel unterwegs wie Ralf Bohnert als der seine neue Hardware im Griff hatte und Aston-Martin-Pilot Mario Söllner, der aber angesichts eines anstehenden Sportwagenrennens am selben Wochenende der direkten Konfrontation mit der Konkurrenz im Vorfeld des Rennabends auswich.  Und noch einer hatte sich heimlich still und leise in die Rolle eines möglichen Geheimfavoriten gepirscht. Ludwig Conrads, der nach seinem Einstieg im Jahr zuvor bisher nicht an die Ergebnisse der Vorsaison anknüpfen konnte, zeigte schon beim vorherigen Rennen in Silverstone eine stark ansteigende Formkurve. Diese untermauerte der Red-Bull-Pilot mit regelmäßigen Positionierungen knapp hinter der Spitze in den Vorbereitungsläufen zum ersten Grand-Prix der zweiten Jahreshälfte.

Es war also alles angerichtet für einen aufregenden Rennabend in den Ardennen, der dem realen Pendant zumindest stabile Witterungsverhältnisse Voraus hatte. 19 Piloten stellten sich dem Abenteuer Ardennen-Achterbahn auf dem mit 7,004 Kilometern längsten Kurs im gegenwärtigen Rennkalender. Stefano Papia verlängerte seine Sommerpause und überließ es Christian Wickom allein, die Fahnen der Silberpfeile zu vertreten, auch Patrick Hanko ließ den Belgien Grand-Prix aus und Max Schoner erklärte nach den Vorkommnissen im Großen Preis von Großbritanien sieben Wochen zuvor vorläufig seinen Rücktritt vom aktiven Sim-Racing-Sport. Dafür feierte ein Pilot seinen Einstand in die Rennserie, dem zumindest den Tyrrell- und Aston-Martin-Piloten aus einer gemeinsamen Sim-Racing-Vergangenheit heraus noch ein Begriff ist. Michael Oswald nahm im zweiten Alfa-Romeo neben Jörn Dreier Platz.

Bei nur zwölf Minuten Qualifikationszeit im entscheidenden Segment hatten es die Piloten natürlich eilig, sich schnell auf ihre Versuche zu begeben. Wie schon in Q1 rollte Tobias Zunker als erster an die noch rote Ampel am Ende der Boxengasse. Lange sollte der Tyrrell aber nicht alleine auf der Bahn bleiben, denn innerhalb der folgenden 30 Sekunden gingen acht weitere Fahrer auf die Strecke. Nur ein Fahrzeug blieb zunächst in der Garage: Der zweite Tyrrell von Lars Zunker. Der setzte sich erst in Bewegung, als Bruder Tobias in seiner Out-Lap Blanchimont passiert hatte und beschleunigte Eau-Rouge so durch, dass er seinem Bruder auf der Kemmel-Gerade einen nahezu  perfekten Windschatten spendierte. Kurz vor dem Bremspunkt zu Les Combes gab der jüngere Zunker-Bruder die Ideallinie frei und brachte den Teamkollegen so in die optimale Ausgangsposition für Sektor 2 und 3. Doch Tobias Zunker machte nichts draus. Ausgangs des zweiten Sektors wollte er zu viel und stolperte über die Track-Limits. Doch statt seine Runde abzubrechen, kehrte er für die Auslaufrunde den Spieß um und schenkte auf der Kemmel-Gerade seinerseits seinem Bruder Windschatten. Und Lars Zunker machte es besser als sein Bruder. In 1:39,462 setzte er sich an die Spitze des Klassements. Und im zweiten Versuch wiederholte Tyrrell sein Windschattenspiel. Tobias Zunker glückte sein zweiter Versuch besser: Um zwei Zehntel unterbot er die Zeit seines Teamkollegen und übernahm die Führung in der Qualifikation. Doch auch Lars Zunker hatte noch einen Pfeil im Köcher und ergriff die Gelegenheit: Um 34 Tausendstel schlug er im zweiten Versuch die Zeit seines Bruders und sicherte sich damit die zweite Pole-Position seiner Karriere.   Tobias Stolp im Alpine robbte sich zwar noch bis auf 80 Tausendstel an die erste Startreihe heran, konnte die geschlossene erste Startreihe für Tyrrell aber genauso wenig verhindern, wie Ralf Bohnert, der Vierter wurde. Dahinter reihte sich Mario Söllner ein, der sich die dritte Reihe mit Ludwig Conrads teilte. Wer bis hierhin Kai Engelsiepen vermisst hatte, wurde erst in der vierten Reihe fündig: Noch hinter Rolando Tejeda im McLaren qualifizierte sich der Ferrari nur für die achte Position – für ihn der schlechteste Startplatz seit dem Großen Preis von Italien 2018. Johann Asanger wurde Neunter, Christian Wickom gelang im finalen Durchgang keine Zeit mehr, so dass der Mercedes-Piloten  mit der zehnte Position vorlieb nehmen musste.

Für Kupke war das Rennen beendet, Heidtmann musste nach einer Runde die Box aufsuchen, die Alfa sich wieder in Fahrtrichtung bringen

Die zweite Doppel-Pole in der seit exakt einem Jahr andauernden Teamgeschichte nutzte Tyrrell deutlich effizienter als die erste drei Rennen zuvor in Baku. Lars Zunker zog von seiner Startposition auf der schmutzigeren Seite direkt nach links in Richtung der Ideallinie, die Bruder Tobias ebenfalls mit einem leichten Schwenk nach links bereitwillig freiräumte. So gelang es dem Pole-Setter auch als Führender aus La Source heraus zu beschleunigen. Tobias Stolp befand sich da zwar bereits großflächig im Rückspiegel des zweiten Tyrrell, der WM-Leader verhungerte jedoch auf der Kemmel-Gerade hinter Tobias Zunker, der den Windschatten seines Bruders nutzte um sich bis Les Combes ziehen zu lassen. So tauchten die ersten vier in ihren Positionen unverändert erstmals im Renntempo in den Kurvenreichen zweiten Sektor ein. Auch im Übrigen Feld ging es für Spa-Verhältnisse erstaunlich gesittet auf die ersten Meter, bis die beiden Alfa und die beiden Haas schon im Eingang von Eau Rouge aneinander gerieten.

Bastian Kupke versuchte zumindest einen Teil des in der Qualifikation entstandenen Schadens schon auf den ersten Metern wieder wettzumachen und fand im Heck des Williams von Gert Wickom einen Windschatten, der ihn schon in der Eau Rouge am Alfa von Jörn Dreier vorbeisaugen sollte. Dem Routinier aus Berlin ging beim Parallel-Flug durch die wohl berühmteste Kurve im Kalender jedoch zunächst der Platz und dann der Grip aus, so dass er direkt am Scheitelpunkt mit dem linken Vorderrad das rechte Hinterrad des Haas-Piloten traf. Dem fulminanten Abflug des einen, fiel ausgerechnet der andere Haas zum Opfer: Was in der Realität schon zu der einen oder anderen Katastrophe geführt hat, sorgte in der virtuellen Welt für erheblichen Blechschaden, denn an dem zurücktaumelnden Teamkollegen fand ausgerechnet Marcel Heidtmann keinen Weg vorbei. Der Kontakt mit dem Schwesterfahrzeug gab dem Boliden des Achtplatzierten in der Fahrermeisterschaft schließlich den Rest. Noch vor Radillon strandete der Haas in der Auslaufzone auf drei Rädern, während Heidtmann die ersten 7,004 Kilometer bis zur Box ohne Frontflügel zurücklegen musste. Zumindest äußerlich unbeschadet überstanden zu haben schien Jörn Dreier den Vorfall, ihm ging lediglich die Position gegen den Teamkollegen Michael Oswald verloren, der damit schon recht früh auf Punktekurs einschwenkte.

Im vorderen Feld bestätigte Ludwig Conrads derweil, dass seine Startposition nicht zufällig oder gar glücklich zustande gekommen war. Schon in der ersten Runde verdrängte der RedBull-Pilot Mario Söllner auf die sechste Position und nahm die Verfolgung von Ralf Bohnert auf. Söllner konnte das Tempo der beiden vor ihm fahrenden Fahrzeuge zunächst nicht mitgehen und sah sich in der zweiten Runde bereits wüsten Attacken des McLaren-Mercedes von Rolando Tejeda ausgesetzt. Der suchte auf der Kemmel-Geraden schließlich die Flucht nach vorne vorbei am Aston-Martin um sich damit auf die effizienteste erdenkliche Weise den Angriffsversuchen von Kai Engelsiepen zu erwehren, der auf seiner Mission Aufholjagd bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Positionsgewinne verbuchen konnte.

Stichwort Mission: Lars Zunker vergrößerte an der Spitze seinen Vorsprung auf Bruder Tobias, der ab der zweiten Runde dazu überging, den Teamkollegen möglichst lange vor WM-Leader Tobias Stolp abzuschirmen. Schon bei Freigabe des DRS-Systems hatten die beiden Tyrrell eine Lücke von etwa 1,5 Sekunden zwischen einander gelegt. Dennoch reichte der verbleibende Windschatten auf der Geraden noch bis in die fünfte Runde hinein, um den Alpine des Dauersiegers hinter beiden Fahrzeugen zu halten. Den ersten ernstzunehmenden Angriffsversuch im Duell der Namensvetter wehrte der Tyrrell noch ab, aber schon bei der nächsten Zufahrt zur Bus-Stop verkürzte Stolp seinen Rückstand so, dass weitere Gegenwehr auf der Kemmel zwecklos gewesen wäre. Mit dem Überschuss aus DRS und Windschatten, sowie der besseren Beschleunigung aus La Source  überholte der Alpine-Pilot den Tyrrell-Block vor Les Combes als würde der parken. Der ältere Zunker-Bruder versuchte gar nicht erst die Tür zuzuwerfen und konzentrierte sich fortan auf sein eigenes Rennen. Und der direkte Gegner hieß da schon nicht mehr Ralf Bohnert, sondern Ludwig Conrads. Der hatte nämlich in der dritten Runde den Alpha-Tauri-Piloten hinter sich lassen können und genoss damit erstmals im Rennen das mehr oder weniger zweifelhafte Vergnügen der freien Fahrt. Zur selben Zeit ließ auch Kai Engelsiepen in einem Streich Mario Söllner und Rolando Tejeda hinter sich und machte sich daran, den Anschluss an Bohnert und Conrads wiederherzustellen.

Es lebe die Perlenkette: Rund um Platz vier ging es in der Anfangsphase munter zur Sache

Bis Stolp Tobias Zunker hinter sich gelassen hatte, war Lars Zunker an der Spitze bereits um 2,6 Sekunden enteilt. Tobias Zunker hatte nach hinten zu jenem Zeitpunkt noch zwei Sekunden Vorsprung auf Conrads, der die sich mittlerweile gebildete Kampfgruppe mit Bohnert und Engelsiepen anführte. Hinter Rolando Tejeda und Mario Söllner begann Johann Asanger langsam aber sicher unter seiner Reifenwahl zu leiden. Er zog in kurzem Abstand Christian Wickom (Mercedes), Christian Boll (Ferrari) und Jürgen Bechtel (Alpha Tauri) hinter sich her. In der siebten Runde schien sich das Rennglück wieder in Richtung des Österreichers zu wenden, als Christian Wickom zu ambitioniert aus La Source beschleunigte und prompt die Position gegen Christian Boll einbüßte. Doch der Mercedes-Pilot hatte sich so rechtzeitig gefangen, dass er noch auf Kemmel in der Lage war, seine zehnte Position zurückzuerobern. Trotzdem hatte der Österreicher in Aston-Martin Diensten genug gesehen. Schon in der achten Runde streifte er den weichen Reifen ab, und absolvierte seinen Pflichtboxenstopp , der ihn  zunächst auf die 16. Position zurückspülte.

Christian Boll korrigierte unterdessen in der folgenden  Runde den Rückangriff von Christian Wickom, ließ ihm diesmal jedoch keine Chance zum Konter und übernahm Position neun.

Auch in die Kampfgruppe hinter dem Podium kam in dieser Phase des Rennens Bewegung. Ralf Bohnert sah in der neunten Runde mit dem besseren Exit aus La Source die Chance, Position vier von Ludwig Conrads zurückzuerobern. Erst im letzten Augenblick zog er auf die äußere Linie von Les Combes um im besseren Winkel an den Scheitelpunkt der Kurve zu gelangen. Dort wollte Ludwig Conrads die Position jedoch nicht freiwillig wieder hergeben und blieb hartnäckig neben dem Schwesternauto um sich für die nachfolgende Rechtskurve in die bessere Ausgangsposition zu bringen. Dort verlor der RedBull-Pilot jedoch so viel Schwung, dass auch Kai Engelsiepen mit seinem Ferrari an Conrads vorbei auf die fünfte Position schlüpfen konnte.

Nach 10 Runden führte Lars Zunker das Feld mit einem Vorsprung von zwei Sekunden auf Tobias Stolp an, der sich überraschend schwer tat, den Abstand nach vorne entscheidend zu verkürzen. Tobias Zunker lag weitere 1,5 Sekunden hinter Stolp auf der dritten Position, während dessen Vorsprung auf Platz vier durch den Kampf zwischen Bohnert, Engelsiepen und Conrads auf rund 3,5 Sekunden angewachsen war. Auch Tejeda und Söllner auf den Positionen sieben und acht profitierten von dem Triell und schlossen die Lücke, so dass aus dem Dreikampf ein Fünfkampf wurde. Boll, Christian Wickom, Bechtel und Böhme mussten hingegen bereits um sieben Sekunden abreißen lassen, während der verbleibende Williams von Gert Wickom in Sichtweite dieser zweiten größeren Gruppe auf Platz 13 blieb. Damit lag er deutlich vor den beiden Alfa Romeo, bei denen sich Oswald erstaunlich wacker vor seinem Teamkollegen Jörn Dreier hielt, der den Startcrash offensichtlich noch aus seinen Knochen zu schütteln versuchte. Noch vor Marcel Heidtmann lag Johann Asanger nach wie vor auf der 16.Position, er robbte sich auf den frischesten Reifen im Boxenstoppbereinigten Tableau aber langsam aber sicher ebenfalls an die Top 8 heran.

Stolp begann ungefähr ab der 10.Runde damit, den Abstand auf Lars Zunker Schritt für Schritt zu verkürzen. Erst ein Zehntel, dann zwei, dann drei nahm der Alpine-Pilot seinem Widersacher in Tyrrell-Diensten pro Runde ab. Ab der 13.Runde konnte der Seriensieger und Abo-Weltmeister der vergangenen Jahre DRS benutzen. Dennoch dauerte es drei weitere Runden bis Stolp das erste Mal in Angriffsposition gegen den 31 -jährigen Friesen aufrückte. In Runde 16 allerdings war es soweit: Wieder durch DRS und Windschatten unterstützt, schlüpfte Stolp Eingang Les Combes am Tyrrell vorbei. Doch die Führungsposition konnte er nur eine Runde lang verteidigen, ehe Lars Zunker es frech wie Dachs seinem Konkurrenten gleich tat und erneut die Spitze übernahm. Zwei weitere male versuchte es Stolp in der Folge erneut am Ende der Kemmel-Gerade, doch Zunker positionierte sein Fahrzeug so geschickt, dass es für den Alpine keinen Weg mehr vorbei gab. Dennoch war das Rennen um den Sieg damit längst noch nicht entschieden, sondern sollte im strategischen Bereich seine Fortsetzung finden. Und für einen Moment stand Tyrrell plötzlich mit dem Rücken zur Wand.

Hinter der Spitze und mit einem Abstand von rund 3,5 Sekunden zu Platz 3 entfachte das Rennen um Platz 4 nämlich eine neue Dynamik. Ohne die Unterstützung durch den Windschatten stand Ralf Bohnert nämlich im Duell gegen Kai Engelsiepen auf verlorenem Posten. In der 12.Runde schlüpfte der Ferrari -Pilot -wo auch sonst- Eingang Les Combes am Alpha Tauri vorbei und machte sich auf den Weg, den Abstand zu Tobias Zunker zu verkürzen. Für Bohnert kam es indes noch dicker: Eine Runde nach Engelsiepen schlüpfte auch Conrads wieder durch, genau wie Mario Söllner an gleicher Stelle nahezu im Parallelflug Rolando Tejeda hinter sich ließ. Bis Bohnert die aus seiner Sicht richtige Reihenfolge wiederhergestellt hatte, war Engelsiepen bereits aus dem DRS-Fenster entkommen. Der wiederrum schloss bis in die 18.Runde, den Abstand zum Drittplatzierten auf 1,2 Sekunden und nutzte die sich ihm bietende Chance für den Undercut, während Tobias Zunker noch eine Runde länger auf der Strecke blieb. Und von den Erfahrungen aus Barcelona mit dem Doppelstopp geprägt, ergab sich auch für Lars Zunker dadurch eine gefährliche Situation rund um seinen Stopp. Doch Tobias Stolp verzichtete seinerseits auf den Stopp in Runde 19 und kam zusammen mit Lars Zunker eine Runde später zum Service. Was sowohl Position und Abstand zwischen beiden zunächst zementierte. Tobias Zunker allerdings verlor die Position an Kai Engelsiepen, blieb aber zumindest vor Bohnert. Die drei neutralisierten in der Folge ihre Rundenzeiten, so dass der Abstand zwischen ihnen bis zum Schluss ohne Positionsveränderungen in etwa gleich blieb. Naja, fast ohne Positionsveränderung. Aber die Protagonisten der ersten Rennhälfte überließen den Spannungsbogen der zweiten Rennhälfte bereitwillig den beiden Piloten, die um den Rennsieg kämpften. Auch wenn Stolp auf dem zweiten Reifensatz um eine Winzigkeit schneller unterwegs zu sein schien als Zunker, kam er dem Tyrrell bis zur 26.Runde nie wirklich nah genug für einen Angriff – dann aber schon: Doch Zunker war nicht bereit, seine Spitzenposition kampflos aufzugeben und wehrte sich mit dem Messer zwischen den Zähnen. Wie schon in Runde 18 blieb der Tyrrell in Les Combes neben dem Alpine inklusive Rad-an-Rad-Kontakt. Stolp suchte sein Heil in der Auslaufzone, erwischte dabei aber den Anticut so unglücklich, dass es den Alpine um die eigene Achse drehte. Unbeschädigt, aber mit einem Rückstand von 6 Sekunden auf Zunker konnte er seine Fahrt zwar fortsetzen, doch statt noch um den Rennsieg kämpfen zu können, musste sich Stolp sogar nach hinten orientieren, wo Engelsiepen Lunte roch, noch die zweite Position erobern zu können. Vorne jedoch schwamm Lars Zunker einem nunmehr ungefährdeten Rennsieg entgegen. Zusammen mit dem vierten Platz von Bruder Tobias sah es nach einer deutlichen Kampfansage in Richtung Team-Weltmeisterschaft aus und Lars Zunker hätte Platz zwei in der Fahrerwertung übernommen. Doch: to finish first you have to finish first. Zunker passierte zum vorletzten Mal den zweiten Sektor, als sein schwarz-weißer Renner plötzlich keinen Vortrieb mehr generierte. 10 Kilometer vor dem Ziel strandete er in Pouhon, wo er seine Pedale neu starten musste. Hilflos sah er dabei zu, wie Stolp, dann Engelsiepen, Bruder Tobias, Ralf Bohnert, Conrads und schließlich auch Mario Söllner an ihm vorbeizogen, bis er selber wieder Fahrt aufnehmen konnte. Statt 25 Punkte für den Rennsieg wurden es am Ende nur neun für Position sieben.

Ende einer epischen Schlacht: Tobias Stolp erbt die Führung bei Zunkers Technikpech. Über 30 Runden zuvor schenken sie einander nichts.

Und zum siebten Mal in Folge hieß der Rennsieger Tobias Stolp. Engelsiepen konnte seine fulminante Aufholjagd nicht mehr krönen, eroberte aber mit dem zweiten Platz zumindest die zweite Position in der Fahrermeisterschaft von Mario Söllner, der keinen Weg mehr vorbei fand am RedBull von Ludwig Conrads. Conrads vollendete letztlich, was ihm in Silverstone noch verwehrt blieb und bestätigte den nachhaltigen Aufwärtstrend mit der besten Platzierung des laufenden Jahres. Der dritte Platz von Tobias Zunker, der nach drei schwierigen Rennen wieder mal ein gutes Ergebnis einfahren konnte, war nur ein schwacher Trost für das Tyrrell-Team. Doch immerhin konnte er Ralf Bohnert hinter sich halten und den Abstand auf Platz fünf in der Fahrerwertung wieder etwas verkürzen. Punktemäßig konnte er sogar mit Rolando Tejeda wieder gleichziehen.

Dessen Rennabend, der mit Startpositionen recht vielversprechend begann, endete in Runde 24 in der Streckenbegrenzung. Ausgangs der Bus-Stop Schikane hatte es seinen Mclaren etwas zu weit nach außen getragen, wo er ohne Grip beschleunigte und einen fulminanten Dreher hinlegte. Das allein wird jedoch nicht den Ausschlag gegeben haben für die Aufgabe. Vielmehr spricht auch im Mclaren-Lager einiges für Hardwareprobleme.

So wurde am Ende Christian Boll, der die zweite Kampfgruppe im Feld für sich entschied, mit Platz acht belohnt. Er setzte sich damit gegen Christian Wickom im Mercedes durch, der Platz neun ins Ziel brachte. Dabei profitierte er von einem Zwischenfall rund um Johann Asanger und Jürgen Bechtel, der sich im Schatten des vermeintlich Rennentscheidenden Duells um die Spitze abspielte. Mit den frischesten Reifen der drei Kontrahenten gesegnet, holte Jürgen Bechtel mit Sieben-Meilen-Stiefeln auf Asanger und Wickom auf, doch er brauchte bis zur 26.Runde um den Österreicher, dessen harte Reifen da schon 16 Runden auf den Buckel hatten, hinter sich zu lassen. Schließlich wurde ihm ein Fehler ausgangs der Bus-Stopp zum Verhängnis. Asanger bekam dadurch den perfekten Windschatten, um sich die Position zurückzuholen. Doch Bechtel ließ ihn abtropfen und schickte den Aston-Martin in den Dreher. Asanger verlor dabei sogar fast noch die Position gegen Gert Wickom, der sich vom aufsteigenden Rauch jedoch ebenfalls irritieren ließ und sich um die eigene Achse drehte. Bechtel verkürzte in der Folge den Abstand auf Christian Wickom vor ihm zwar noch von sieben auf unter zwei Sekunden. Der Mercedes rettete sich aber schließlich vor dem Alpha-Tauri ins Ziel.

Aufgehorcht: Jürgen Bechtel meldete sich mit Platz zehn aus der Sommerpause zurück.

Die beiden Alfa Romeo tauschten in der Schlussphase noch ihre Positionen, als Michael Oswald kurz vor Schluss auf die Medium-Reifen wechselte. 5 Sekunden vor Daniel Böhme kreuzte der Debütant die Ziellinie. Böhme rettete damit zumindest einen Zähler für das Alpine-Team. Es hätten nach dem knappen Scheitern am Einzug ins Q2 aber durchaus noch mehr werden können. Zu Beginn der 13.Runde drehte es den Passauer auf der Jagd nach Jürgen Bechtel Ausgangs la Source jedoch in die Streckenbegrenzung, sodass der Frontflügel zu Bruch ging. Eine ganze Runde schleppte er seinen waidwunden Boliden zurück in die Box. Wo er für den Rest des Rennens neben dem neuen Frontflügel auch Medium Reifen auffasste.

Zusammen mit der schnellsten Rennrunde von Tobias Stolp entführte Alpine damit 27 Punkte aus Spa, so dass der Vorsprung auf Tyrrell-Honda auf 23 Punkte angewachsen ist. Die größte Punkteausbeute nahm jedoch wieder einmal Ferrari aus Belgien mit. Die Scuderia verkürzte damit vor dem Heimspiel in zwei Wochen ihren Rückstand auf Tyrrell auf nun nur noch 16 Punkte. In der Fahrerwertung kann schon nach dem ersten Rennen nach der Sommerpause mit den Rechenspielen begonnen werden. Sage und schreibe 68 Punkte trennen Stolp nun bereits vom Zweitplatzierten Engelsiepen. Aus eigener Kraft kann er wie im Vorjahr also schon beim Heimspiel am Nürburgring den Deckel draufsetzen. Nicht unwahrscheinlich jedoch, dass es sogar schon in Japan reichen könnte, um sich vorzeitig zum ersten Fahrer der Ligageschichte zu krönen, der fünf Meisterschaften erobert hat.

Rennbericht als PDF, inkl. Taktikchecks

Rennbericht Spa inkl. Taktikcheck (PDF)

Rennergebnis, WM-Stand und Live-Stream

 

Der WM-Stand ist hier zu finden

Falls ihr das Rennen verpasst habt könnt ihr den Stream, kommentiert von Michael Merkers und Julian Kopp hier nochmals angucken: