Rennbericht Monza: Auf Tyrrell-Siegen scheint ein Fluch zu liegen
Die Siegesserie von Tobias Stolp, die im April mit dem Sieg in China begann und sieben Rennen andauerte, ist gerissen. Kai Engelsiepen und Patrick Hanko in Montreal und Lars Zunker in Baku und Spa waren in dieser Saison bereits dicht dran, den Faden zu durchtrennen. Am Ende der 40 Runden von Monza griff aber ein Pilot zur Schere, der zuvor noch nie auch nur eine Runde in Führung gelegen hat. 96 Stunden lang durfte sich Tyrrell-Pilot Tobias Zunker über seinen allerersten und den fälligen ersten Saisonsieg seines Teams freuen, dann war er Zweiter und nochmal zwei Stunden später sogar Vierter. Davon profitierte zunächst Aston-Martin Pilot Mario Söllner, der mit einer alternativen Strategie sechs Positionen gewann und damit auf das Podium zurückkehrte, sowie Pole-Setter Ralf Bohnert, der an der kontroversen Situation in Runde 9 beteiligt war, die dazu geführt hat, dass der Italien Grand Prix 2021 in der formel1-Liga.de auch eine Woche nach dem Fallen der Zielflagge noch nicht beendet war. Am Ende wird der Sieger Zweiter, der Faden von Tobias Stolp hält, und der Titelkampf bei den Teams hat seine erste Kontroverse.
Motorsport kann grausam sein! So steht es zwar nicht auf jeder Eintrittskarte, die Fans rund um die Welt bei jedem Motorsport-Event zu kaufen haben, aber es bewahrheitet sich halt dann doch immer mal wieder. Was muss das für ein Gefühl gewesen sein für Tyrrell-Pilot Lars Zunker, als er 10 Kilometer vor dem Ende des Großen Preises von Belgien sicher in Führung liegend plötzlich ohne Vortrieb ausrollte und geschlagene 30 Sekunden benötigte, um wieder Fahrt aufzunehmen? Das Drama in nackten Zahlen? Statt Platz Eins und den ersten Sieg seit Österreich im Jahr zuvor, wurde es Platz sieben. Statt 25 Punkten für den Sieg gab es mal gerade neun, und – um das Drama abzurunden – fünf zusätzliche Zähler für Tobias Stolp, Speerspitze ausgerechnet jenes Teams, mit dem sich das Tyrrell-Team den einzig zumindest noch halbwegs offenen WM-Kampf in der formel1-liga.de Saison 2021 liefert. Es hätte der perfekte Beginn einer furiosen Aufholjagd nach der Sommerpause werden können. Doch statt den auf 21 Punkte angewachsenen Rückstand auf mickrige vier Zähler zu verkürzen, mussten die Tyrrell-Piloten die Hypothek von sogar 23 Zählern mit in den königlichen Park nach Monza schleppen, wo mit dem 10.Saisonlauf der Schlussspurt der Ligasaison im Jahr 2021 eingeläutet werden sollte. Dass Tobias Stolp mit seinem siebten Sieg in Serie aus der Sommerpause zurückgekehrt war und damit einen weiteren dicken Baustein auf den ohnehin schon so gut wie sicheren fünften Titel in Folge aufgemauert hatte, verkam ob des Tyrrell-Dramas schon fast zur Randnotiz. Doch aufzugeben scheint ein Fremdwort zu sein im Tyrrell-Universum: Auch wenn nur noch sechs Rennen übrig bleiben, um den Rückstand auf die Titelverteidiger aufzuholen, glaubt man bei den Nordlichtern offenbar weiter an seine Chance.
Und gerade das zurückliegende Rennen in Belgien, sowie der Straßen-Kracher von Baku zeigten, dass es besonders die Hochgeschwindigkeitsstrecken sind, die den Zunker-Brüdern besonders gut schmecken. Und, was Belgien und Aserbaidschan ebenso deutlich zeigten, Tyrrell lässt sich auch bei Rückschlägen nur schwer abschütteln, während sie im Erfolgsfall kräftig zuschlagen. Nur müsste der Erfolgsfall dann auch bald mal eintreten.
Das man dazu durchaus gewillt war, zeigte sich schon zu Beginn der Vorbereitung auf das schnellste Rennen des Jahres. Wie schon aus Belgien gewohnt, drückte zumindest einer der Tyrrell der Vorbereitung von Beginn an seinen Stempel auf. Nur war es dieses mal nicht der jüngere Zunker-Bruder Lars, sondern Tobias der das Tempo im königlichen Park diktierte. Und das sowohl über eine Runde als auch über die Distanz. So ein bisschen lag es also in der Luft, das die Siegesserie des Rekordchampions im Alpine-Diensten an jenem 10. September ihr Ende finden könnte. Denn nicht nur Tobias Zunker schienen mit den 5,7 Kilometer langen Traditionskurs in der Nähe Mailands besser zurecht zu kommen als sein Namensvetter Tobias Stolp, sondern auch Kai Engelsiepen und Ralf Bohnert machten eine gute Figur. Mario Söllner trainierte wieder in der Ferne, bewegte sich dabei aber auch stets im Dunstkreis von Tobias Stolp und dessen Spa-Widersacher Lars Zunker. Doch nur Freitagabend zählt, also auf geht’s ins Strecken-Schach.
Schon Q1 lieferte einen Vorgeschmack darauf, wie eng sich das Feld auf einer Strecke, auf der es überwiegend Geradeaus geht, zugehen kann. 2 Minuten vor Ablauf der Uhr lagen die ersten 12 Piloten innerhalb einer halben Sekunde. Mit einer weiteren halben Sekunde Respektabstand platzierten sich Rolando Tejeda und Jürgen Bechtel in der siebten Reihe und Gert Wickom in seinem Williams und Jörn Dreier für Alfa Romeo in der achten. Marcel Heidtmann qualifizierte sich alleine für die neunte Reihe, da Patrik Hanko und Stefano Papia jeweils einen Start aus der Boxengasse ankündigten.
An der Spitze setzte sich Lars Zunker in allerletzter Sekunde 0,103 Sekunden vor den Ferrari von Kai Engelsiepen, der damit seiner Favoritenrolle zunächst gerecht wurde. Dahinter folgten im Abstand weniger Hundertstel Ralf Bohnert und Tobias Zunker, gefolgt von Mario Söllner, der damit Tobias Stolp auf die nur sechste Position verwies. Christian Boll unterstrich die starke Ferrari-Form beim Heimspiel, während sich Bastian Kupke für das verpatzte Qualifying von Spa rehabilitierte. Die Top 10 wurden vervollständigt durch Daniel Böhme im zweiten Alpine und Johann Asanger im Aston Martin, die jeweils auf weichere Reifen setzten.
Die ersten Versuche im finalen Qualifikationsabschnitt nutzten die Piloten zunächst, um sich für die letzten Runs einzuschießen. Der erste Schlagabtausch ging dabei an Tobias Zunker, der sich im Gegensatz zum Rennen in Spa zwei Wochen zuvor ohne Unterstützung durch den Windschatten des Teamkollegen die Bestzeit sicherte. Ferrari hingegen opferte die erste Runde von Christian Boll um Engelsiepen Vorteile bei der Zeitenjagd zu verschaffen. Der verfehlte die Bestzeit aber um 0,072 Sekunden. Tobias Stolp ging antizyklisch vor und ließ erst einer zweite Aufwärmrunde eine ernstzunehmende Zeit folgen, die ihn auf Platz 3 nach vorne hievte. Auch Christian Boll musste – durch die Windschattenfahrt seiner ersten Runde beraubt – seine Zeit im zweiten Anlauf setzen, die aber für die vierte Position reichte. Lars Zunker verlor dagegen im ersten Versuch sein Auto und setzte anschließend eine Sicherheitsrunde, die ihn auf Platz sieben brachte. Zwischen Boll und Lars Zunker platzierten sich Bohnert und Söllner. Doch für den Alpha-Tauri Piloten ging es schon im nächsten Versuch auf die vierte Position nach vorne. Und während es so aussah, als ob sich die Piloten auf ihren Positionen eingerichtet haben, nahmen die letzten dreieinhalb Minuten an unheimlicher Dramatik zu. Denn Bohnert versuchte eine zweite Runde mit demselben Reifensatz und knackte damit die Bestzeit von Zunker um 0,010 Sekunden. Und als wäre das nicht schon knapp genug, schob sich 12 Sekunden später auch Kai Engelsiepen noch zwischen die beiden. Doch während die Qualifikation des Ferrari Piloten damit beendet war, gingen Zunker und Bohnert noch ein drittes Mal auf die Strecke. Kurz nachdem Tobias Stolp seinen letzten Versuch abgebrochen und sich Lars Zunker auf die fünfte Position verbesserte, entriss der ältere Zunker-Bruder dem Liga- Urgestein mit Fallen der karierten Flagge noch die Pole-Position. Aber das Drehbuch war damit noch nicht auserzählt. Denn der bisher führende kreuzte zwei Sekunden vor Ablauf der Uhr die Linie und reservierte sich damit den allerletzten Schuss. Und während man im Tyrrell Lager schon die zweite Pole in Folge bejubelte, nutzte Bohnert diesen Versuch, um sich doch noch den ersten Startplatz zu sichern. Um gerade einmal 40 Tausendstel verbesserte er die Zeit des Tyrrells. Für Engelsiepen und Stolp blieb damit nur die zweite Reihe vor Lars Zunker und Christian Boll. Mario Söllner musste sich sogar noch Bastian Kupke geschlagen geben, genau wie sich sein Teamkollege Johann Asanger hinter dem zweiten Alpine von Daniel Böhme für den zehnten Startplatz qualifizierte.
Immer dann, wenn die Startampeln im königlichen Park von Monza erlöschen, hält die Szene den Atem an. 17 Autos im Grid – mit kalten Reifen und Bremsen – beschleunigen auf einen der härtesten Bremspunkte im Rennkalender zu. Nicht wenige Rennabende haben in der Vergangenheit schon in dieser frühen Phase des Rennens ihr Ende gefunden, hunderte Runden an Vorbereitung zuvor zum Trotz. Doch in der Formel1-liga.de Saison 2021 hatte es bisher zumeist äußerst disziplinierte Startverläufe gegeben. Von Großbritannien im Juli und Belgien vor zwei Wochen einmal abgesehen. Und die Piloten schienen die besondere Herausforderung der ersten Kurve von Monza durchaus verstanden zu haben, so dass es zwar leichtere Auffahrunfälle zu verzeichnen gab, am Ende aber alle die schwierige erste Kurvenkombination unbeschadet überstanden haben. Ralf Bohnert löste sich gut aus seinem Startblock und versuchte die Pole-Position über die Innenbahn in die erste Kurve zu verteidigen während Tobias Zunker den umgekehrten Weg ging und sich nach außen auf die Suche nach dem Bremspunkt machte.
In der Überkreuz Bewegung gab es somit zwischen den ersten beiden keine Positionsverschiebungen, wohingegen sich Tobias Stolp im Alpine innen am Ferrari von Kai Engelsiepen vorbei bremste und die dritte Position übernahm. Auch Mario Söllner ließ schon in der ersten Kurve Bastian Kupke hinter sich und übernahm damit zunächst die siebte Position. Doch auch wenn mit der ersten Kurve der gefährlichste Moment zunächst überwunden ist, ausgestanden ist die Startphase damit noch nicht, wie der zweite Ferrari leidvoll erfahren musste. Christian Boll hatte sich nämlich den Tyrrell von Lars Zunker geschnappt und fuhr als Fünfter unmittelbar hinter dem Teamkollegen auf die berüchtigte Variante della Roggia zu. Doch dort verschluckte sich Boll in der Verteidigung gegen Zunker beinahe am Heck des eigenen Teamkollegen. Das harte Bremsmanöver zwang ihn schließlich in einen fulminanten Dreher, dem der Rest des Feldes mit Mühe und Not entkam. Für Ferrari begann das Heimspiel damit denkbar ungünstig. Denn während Kai Engelsiepen in den folgenden Runden Stück für Stück den Anschluss an die Top 3 verlor, musste sich Boll von ganz hinten wieder durch das Feld arbeiten. Naja, fast ganz hinten. Denn Patrik Hanko nahm den Großen Preis von Italien aus der Boxengasse auf und hatte gerade erst die erste Kurve hinter sich gelassen, als sich der Ferrari wieder in Bewegung setzte. An der Spitze verteidigte Ralf Bohnert seine Führung Runde um Runde gegen Tobias Zunker. Zwar zoomte sich der Tyrrell vor allem im zweiten und eingangs des dritten Sektors immer wieder in Schlagdistanz zum Alpha Tauri heran, doch spätestens in der Parabolica wurde der Abstand stets zu groß für einen aussichtsreichen Angriff. Und so ließ sich auch Alpine-Pilot Tobias Stolp nicht aus dem DRS-Fenster des Tyrrells schütteln. Im Gegenteil: der WM-Führende erhöhte seinerseits den Druck auf den Zweitplatzierten. Allen dreien gelang es aber zumindest, sich, wenn auch im kaum messbaren Bereich, von Kai Engelsiepen, Lars Zunker und Mario Söllner abzusetzen, die ihrerseits in einen Dreikampf eintraten, als der Ferrari das DRS-Fenster zu Stolp aus den Augen verlor. Söllner, mit seinen Medium-Reifen auf Vorsicht bedacht, drohte selber gerade den Anschluss zu den beiden vor ihm fahrenden zu verlieren, als Lars Zunker zu Beginn der siebten Runde erstmals an Engelsiepen vorbeiging. Doch Ausgangs der zweiten Kurve erwischte Engelsiepen die bessere Beschleunigung und konterte den Überholversuch des Pechvogels von Belgien vor der Variante della Roggia aus. Zwei Runden später machte es Zunker besser: Wieder setzte er sich in der ersten Schikane vor den roten Renner, doch dieses mal ließ er den Ferrari durch Nutzung der gesamten Streckenbreite hinter sich verhungern und übernahm Position vier, 2,4 Sekunden hinter Tobias Stolp. Es dauerte aber nur wenige Augenblicke und der Abstand zwischen Platz drei und vier schrumpfte wieder auf das Niveau vor dem Zweikampf zwischen Engelsiepen und Zunker.
Ausgangs der zweiten Lesmo witterte Tobias Zunker nämlich Morgenluft im Duell um die Spitze, als der Alpha Tauri vor ihm Dreck aufwirbelte und langsamer als üblich auf die Ascari zusteuerte. Der Tyrrell saugte sich mit DRS und Windschatten ins Heck des Führenden und entschied sich einen Augenblick zu spät für einen Angriff auf Bohnert. Der Zusammenstoß zwang Bohnert durchs Kies geradewegs durch die Auslaufzone. Während Zunker sich hinter den Anti -Cuts stabilisierte und seinen Tyrrell noch vor Tobias Stolp wieder zurück auf die Strecke lenkte. Eine Schrecksekunde, die noch Folgen haben sollte.
Mit Eintritt in die zehnte Runde lagen die ersten sechs damit wieder neutralisiert alle innerhalb des DRS-Bereichs zueinander. Auch Christian Wickom, der sich in der achten Runde endgültig zum Gewinner der Startphase krönte, indem er Bastian Kupke hinter sich ließ und die siebte Position übernahm, ließ sich zu diesem Zeitpunkt erst um 2,8 Sekunden distanzieren und hatte immer noch eben jenen Haas-Piloten im Rucksack. Johann Asanger im zweiten Aston Martin lag zu diesem Zeitpunkt auf Platz neun, rund 2,5 Sekunden vor Rolando Tejeda, der kurz zuvor Ludwig Conrads auf die 11.Position verwies. Christian Boll übrigens war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder 13.. Er hatte Jürgen Bechtel, Gert Wickom, Jörn Dreier und Marcel Heidtmann bereits hinter sich gelassen. Hanko schloss die Lücke zum Feld ebenfalls und lag zwischen Wickom und Dreier auf der 16.Position.
Der 16.Platz nach 10 Runden war aber nur der Beginn der Aufholjagd des Patrik Hanko. Ausgestattet mit den weichsten Reifen und der Hypothek von 25 Sekunden Rückstand nach der ersten Runde begann das zweite Rennen in der formel1-liga.de für den Slowaken erst jetzt so richtig. In der 12. Runde passierte er den Williams von Gerd Wickom. 2 Runden später hielt ihn auch eine Kollision mit Jürgen Bechtel nicht weiter auf. Während der Alpha Tauri Pilot durch den Crash vier Positionen verlor, begann der Zweitplatzierte von Montreal die Lücke zum Ferrari von Christian Boll zu schließen. Für beide kam in diesem Moment schon die Top 10 in Sichtweite, denn während Daniel Böhme im Alpine seinen Startstint auf den weichen Reifen in der 14.Runde beendete, musste Johann Asanger im Zweiten Aston Martin bereits zum vierten Mal in dieser Saison vorzeitig abstellen. Es will einfach nicht die Saison werden für die beiden Teamkollegen der Piloten, die zu Beginn des Jahres noch ein enges Duell um die Spitze ausfochten. Doch während Böhme zumindest nach dem bittersten überhaupt nur denkbaren Saisonstart mit drei Nullnummern seit dem Großen Preis von Spanien zumindest dauerhaft anschreiben konnte, holte der sympathische Österreicher im Dienste ihrer Majestät seitdem in nur zwei Rennen zählbares. Die Positionen 13 und 16 in der Fahrermeisterschaft sprechen eine deutliche Sprache zum Saisonverlauf der beiden, gerade wenn man bedenkt, dass beide im Vorjahr dreistellig punkten konnten und zwischendurch mit Christian Boll ein enges Rennen um Platz 5 in der Fahrermeisterschaft austrugen. Böhme rettete am Ende der 40 Runden von Monza mit einer knappen Minute Rückstand immerhin Platz 13 und damit 3 Punkte für Alpine. Für Hanko war der Vorwärtsdrang auf der Strecke aber damit erst einmal beendet. Zwar kam er bis zum Boxenstopp noch bis auf zwei Sekunden an den Ferrari heran, begann dann aber wieder Zeit einzubüßen. Also wählte er den aus seiner Sicht sinnvollen Weg des Undercuts, um sich am Ferrari vorbei zu drängen. Genau zur Rennhalbzeit legte der McLaren-Pilot seinen Soft -Reifen ab und ersetzte ihn durch eine frische Garnitur Mediums, die ihm zumindest bis zum Boxenstopp der unmittelbaren Konkurrenz einen wertvollen Reifenvorteil verschaffte.
Christian Ball ließ sich, fast schon wie gewohnt fünf Runden länger Zeit mit seinem Boxenstopp als Patrik Hanko, der nach seinem Service eine schnelle Runde nach der anderen folgen ließ. Ganze sechs Sekunden blieb der McLaren-Pilot vor dem Ferrari, als der die Box aufsuchte. Und unmittelbar in der Folge des Boxenstopps stieß Hanko sogar erstmals in die Top 10 vor, denn er ließ nicht nur den Ferrari über den Undercut hinter sich, sondern auch Ludwig Conrads im RedBull, der sich seinerseits auf das Duell mit Boll konzentrierte. Zwei weitere Positionen bekam Hanko ebenfalls in der 25.Runde geschenkt. Bastian Kupke und Christian Wickom lieferten sich von Rennbeginn bis zum Boxenstopp des Mercedes-Piloten ein knallhartes und intensives Duell um die siebte Position, dass seinen Gipfel fand als auch Kupke von seinem Service zurückkehrte.
Mit seinem Geschwindigkeitsüberschuss auf der langen Geraden, versuchte Wickom seine angestammte Position vor dem Haas wieder einzunehmen, wohingegen der Haas auf der Bremse den Platz vor Wickom verteidigen wollte. Doch die erste Schikane ist zu eng für zwei Fahrzeuge, so dass es krachte. Die Fahrzeuge verhakten sich und zwangen sowohl Tejeda als auch Hanko durch die Auslaufzone. Während Kupke lediglich die Positionen gegen die McLaren einbüßte, verlor Wickom bei seiner Rückkehr auch noch einen Platz an Ludwig Conrads und geriet zusätzlich in die Fänge von Christian Boll – der ihm eine Runde später in der Variante della Roggia direkt den nächsten Klaps versetzte. Der Rennabend hatte so gut angefangen für den Mercedes-Piloten, doch die beiden Zwischenfälle innerhalb von zwei Runden kosteten dem Mercedes runde 20 Sekunden und fünf Positionen. Davon erholte er sich nicht mehr: Er beendete das Rennen -auch dank des Ausfalls von Conrads wenige Runden später- auf der 11.Position. Das sowohl Kupke als auch Boll für die Zwischenfälle mit Zeitstrafen belegt wurden, nützte dem Husumer dabei nichts mehr. Beide blieben in der Schlussabrechnung vor dem Mercedes.
Weiter nach vorne als bis auf die achte Position sollte es letztlich auch für Hanko nicht mehr gehen. Zwar ging er vier Runden vor dem Ende auch an seinem Teamkollegen Rolando Tejeda vorbei, doch auch der Slowake wurde nachträglich mit einer Zeitstrafe belegt, weil er Jürgen Bechtel umgedreht hatte. So tauschten die McLaren-Piloten im Schlussklassement erneut die Plätze. Weiter nach vorne konnte Hanko anders als in Kanada hingegen nicht mehr eingreifen, auch wenn er über die gesamte Distanz hinweg starke Rundenzeiten zeigte. Doch die Hypothek des Starts aus der Boxengasse wog am Ende zu schwer, um noch in den Kampf um den Rennsieg eingreifen zu können.
Den machten andere unter sich aus. Nach dem gescheiterten Angriffsversuch in Runde neun stauchte sich die Spitzengruppe zunächst wieder zusammen. Dennoch begann die Top 3 erneut, sich von Lars Zunker auf der vierten Position abzusetzen und den alten Abstand wieder herzustellen. Es verfestigte sich dabei der Eindruck, dass die beiden Namensvetter grundsätzlich in der Lage gewesen wären, auch in dieser Phase das Tempo noch weiter anzuziehen. Doch Ralf Bohnert erwischte stets den besseren Exit aus der Parabolica, als der Tyrrell in seinem Nacken. Ende der 13.Runde schien das wieder der Fall zu sein, aber Zunker konnte dem Alpha Tauri zumindest so dicht folgen, dass Windschatten und DRS nun ihre volle Wirkung entfalteten. Auf der Bremse setzte sich der Tyrrell -Pilot gegen Bohnert durch und übernahm erstmals die Führung in einem Meisterschaftsrennen der formel1-liga.de. Vier Runden später rang auch Tobias Stolp Ralf Bohnert nieder und machte sich an die Verfolgung des Tyrrells, der zu sich zu diesem Zeitpunkt schon um zwei Sekunden vom Rest der Spitzengruppe abgesetzt hatte. Doch dem Alpine gelang es nur noch, die Rundenzeiten von Tobias Zunker mitzugehen, nicht jedoch, die Lücke zu schließen. Und dieses Mal hielt auch die Technik im Tyrrell-Lager, so dass Zunker bis zum Schluss seine Führung nur noch abgab, als er selbst zum Boxenstopp abbog.
Nach zwei unglücklich verloren gegangenen Siegen in Baku und Spa schien die Durststrecke der Tyrrell im dritten Anlauf endlich zu enden, und der 34-jährige Friese feierte hochemotional seinen ersten Sieg in 12 Jahren Sim-Racing, als er 1,800 Sekunden vor dem Seriensieger und Namensvetter Tobias Stolp die Linie kreuzte. Mario Söllner wurde am Ende vom achten Startplatz aus Dritter und kehrte erstmals seit Barcelona wieder auf das Podium zurück.
Er hielt sich im erstens Stint zunächst klug zurück, fuhr unauffällig auf der sechsten Position und hielt mit den fünf Fahrzeugen vor ihm nur leidlich Schritt. Als in den Kampf um die Spitze und um Position vier jedoch Bewegung kam, schloss sich die Lücke. Lars Zunker opferte sich schließlich selbst, als er im Duell zwischen Bohnert und Stolp die aufgegangene Lücke falsch einschätzte und sich nach Kollision mit dem Alpha Tauri aus der Spitzengruppe herausdrehte. Kai Engelsiepen hatte offensichtlich auf ein Setup mit weniger Top-Speed gesetzt und wurde von Söllner kassiert, als er den DRS-Anschluss an Bohnert verlor. Und kurz vor dem Boxenstopp überholte der Aston Martin schließlich auch den Alpha Tauri noch und setzte sich bis zu dessen Service so weit ab, dass er auch nach seinem Stopp eine Runde später vor Bohnert und Engelsiepen bleiben konnte. Fortan sah sich der Sieger der ersten beiden Saisonrennen wüsten Attacken ausgesetzt, doch Söllner machte sein Fahrzeug breit und verteidigte den dritten Platz bis ins Ziel. Der Pole-Setter Bohnert wurde Vierter, Engelsiepen Fünfter. Obwohl der Ferrari-Pilot der schnellste des Trios zu sein schien, musste er um diesen Platz in den letzten Runden sogar noch einmal zittern, denn Lars Zunker witterte die Möglichkeit, verlorenen Boden wieder gutzumachen. Dem Tyrrell gelang es zwar bis zur letzten Runde, die Lücke wieder zu schließen, einen Weg vorbei fand er jedoch nicht mehr, so dass er mit Platz sechs vorlieb nehmen musste. Dennoch bewegte sich das Tyrrell -Team mit dem Ergebnis einen großen Schritt an Alpine heran. Doch das Rennen war mit dem Fallen der Flagge noch nicht zu Ende. 96 Stunden nach dem Rennen sprach die Rennkommission gegen den Rennsieger eine Zeitstrafe von 5 Sekunden aus, so dass er hinter Tobias Stolp zurückfiel. Zwei Stunden später kam es sogar noch dicker: Tobias Zunker wurden weitere fünf Sekunden auf das Rennergebnis addiert, was ihn zwischen Bohnert und Engelsiepen auf die vierte Position zurückwarf. Auslöser der Entscheidung war der Zwischenfall in Runde 9. Aus Tyrrell-Sicht war die Bestrafung für einen Zwischenfall, bei dem die beteiligten Fahrer jeweils rund eine Sekunde und keine Positionen einbüßten, zu hart. Der Einspruch der Traditionsmannschaft wurde am Dienstag vor dem Rennen in Interlagos verhandelt mit dem Ergebnis, dass die Zeitstrafe, wieder auf fünf Sekunden reduziert wird. Der Rennsieg rutschte dem Tyrrell-Team damit zwar bereits zum dritten mal in dieser Saison durch die Lappen, aber zumindest durfte sich Zunker so noch den Pokal für den zweiten Platz in die Vitrine stellen. Aus dem schnellsten Grand Prix der Saison wurde so der längste seit einiger Zeit und die Siegesserie des Tobias Stolp hält auch ein achtes Rennen in Folge. Wenn es diesmal auch Kleber brauchte, um den durchtrennten Faden weiterzuspinnen.
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Falls ihr das Rennen verpasst habt könnt ihr den Stream, kommentiert von Michael Merkers und Julian Kopp hier nochmals angucken: