Ralf Bohnert: „Der Hauptfavorit ist ganz klar wieder Tobias Stolp“
Hallo Ralf,
im Jahr 2019 hast du fast wie aus dem Nichts dein Comeback gegeben. Du konntest schnell zeigen, dass du deinen Speed nicht verloren hast und hast dir gleich zwei dritte Plätze schnappen können. In der abgelaufenen Saison war es auch wieder dieser 3. Platz den du, man könnte sagen, buchstäblich abonniert hattest. In den ersten zwölf Saisonrennen hieß es neun mal „Bohnert auf P3“ am Ende des Rennens. Dazu konntest du noch einen zweiten Platz und einen Sieg in Baku einfahren.
Zum Saisonende warst du plötzlich wie vom Pech verfolgt und an die starken Ergebnisse von zuvor konntest du nicht mehr so wirklich anknüpfen.
Rückblickend betrachtet, wie bewertest du deine Leistung seit deinem Comeback und besonders natürlich die Saison 2020?
Trauerst du dem zweiten Platz in der Fahrerwertung noch etwas nach oder ist der Blick schon komplett auf 2021 gerichtet?
Ralf: Zuerst Mal vielen Dank für das Interview. 2019, als ich wieder als Fahrer zurückkam, lief es eher noch nicht so gut. Zum Einen habe ich etwas gebraucht um mit rF2 klar zu kommen und hatte Probleme ein Gefühl für das Fahrzeug bekommen. Dazu kam, das meine Mutter nach langer schwerer Krankheit in diesem Zeitraum gehen durfte. Das hat sowohl mein Comeback unterbrochen, als auch dafür gesorgt das man nicht wirklich bei der Sache war.
2020 begann dann für mich schon eher so, wie ich das von vor meiner Pause gewohnt war. Wie du bereits sagtest, hab ich den dritten Platz so ein bisschen zu meiner Heimat gemacht. Und damit war ich generell auch sehr zufrieden. Bis auf einen kleinen Ausrutscher, hab ich quasi keine Fehler gemacht. Allerdings war es mir auch nur in Ausnahmen möglich wirklich mal vorne Druck zu machen. Aber das war ok für mich, denn ich wusste auch um meine Setup-Probleme und zumindest was mein Hauptkonkurrent Mario Söllner anging um das verhältnismäßig wenige Training, das ich aber brauche. Ich kann schnell sein, muss dafür aber auch was tun.
In der zweiten Saisonhälfte hatte ich dann tatsächlich etwas Pech. Natürlich waren da auch ein paar Fehler von mir drin, aber der Zeitpunkt des Fehlers und die Auswirkung war jedes Mal enorm. Ich war selbstverständlich enttäuscht, denn der zweite Platz war möglich, aber mein Saisonziel – unter die Top3 zu kommen – hatte ich dennoch erreicht. Und so konnte ich mich schnell einfach über P3 und vor Allem über diese tolle Liga und deren Mitglieder freuen.
Dieses Jahr geht es für dich wieder im Alpha Tauri an den Start, mit an deiner Seite ist wieder Jürgen Bechtel, was denkst du könnt ihr dieses Jahr als Team erreichen und habt ihr euch selbst gewisse Ziele gesetzt die ihr erreichen möchtet?
Ralf: Ehrlich gesagt haben wir uns keine konkreten Team-Ziele gesetzt. Wir sind leider beide aus diversen Gründen noch nicht so richtig zum Trainieren gekommen was eine Einschätzung schwer macht. Ich denke wenn wir als Team P3 verteidigen können, wäre das schon Weltklasse bei der Konkurrenz. Aber wir sind da auch realistisch – Die Konkurrenz ist eh schon stark und dieses Jahr noch stärker geworden. Zum Beispiel erwarte ich viel vom McLaren Duo, wo mit Mark Zopp in diesem Jahr ein sehr schneller Fahrer zum McLaren-Team stößt, das mit Rolando ja schon mega besetzt ist. Es wird also definitiv schwerer in dieser Saison den dritten Platz zu wiederholen.
Letztes Jahr hast du bereits gezeigt, dass du in der Qualifikation mit einer der schnellsten Fahrer bist. Du warst nur einer von vier Fahrern, die sich überhaupt eine Pole Position sichern konnte.
Im Rennen konntest du aber bis in Baku nie so wirklich den Vorteil der ersten Startposition nutzen.
Wo siehst du noch Optimierungsbedarf für die kommende Saison und welche Ziele hast du dir ganz persönlich, beispielsweise in Bezug auf die Fahrerwertung, für die neue Saison gesetzt?
Ralf: Der Optimierungsbedarf liegt klar in den ersten 3-5 Rennrunden. Da bin ich teilweise zu zögerlich, zu nett oder auch einfach noch zu nervös. Letzteres ist schwer zu managen, aber ich werde auf jeden Fall versuchen, es meinen Konkurrenten im Zweikampf schwerer zu machen und da nicht mehr so zögerlich zu sein, aus Angst einen Unfall mit zu verschulden.
Mein Ziel bleibt letztlich aber das Gleiche: Ich will unter die Top3 kommen. Das wird in dieser Saison aber noch schwerer. Zudem weiß ich noch nicht ob ich es in diesem Jahr zeitlich hinbekomme das Trainings-Pensum hoch zu halten. Und das ist Grundvorraussetzung um vorne dabei zu sein. Noch bin ich eben aus Zeitmangel noch nicht viel zum Trainieren gekommen und muss mich noch mit dem diesjährigen Fahrverhalten und auch den Eigenheiten des Setups und vor Allem der Reifen auseinandersetzen. Gerade die Reifen machen mir gerade enorme Sorgen. Da ist mir meine direkte Konkurrenz einen Schritt voraus.
Dennoch versuche ich mich durchzubeißen und schiele wieder auf P3.
Bleiben wir noch kurz bei der bald beginnenden Saison 2021.
Dieses Jahr wird wieder eine komplett neue Mod gefahren, das heißt demnach für alle Fahrer zurück auf Null was die Abstimmung ihrer Fahrzeuge betrifft.
Das bietet natürlich immer wieder Potential für eine wechselnde Dynamik was die vorderen Plätze im Fahrerfeld betrifft.
Wer sind deine Favoriten für den Fahrertitel im Jahr 2021 und wo siehst du deine eigene Position in dem, wie die letzte Saison gezeigt hat, doch sehr starken Fahrerfeld?
Ralf: Der Hauptfavorit ist ganz klar wieder Tobias Stolp. Wer vier Mal hintereinander Meister wird und fast nur von der Technik gestoppt werden konnte, ist automatisch Favorit. Dicht dahinter, oder vielleicht sogar schon auf Augenhöhe, sehe ich Mario Söllner. Ich denke das die Beiden die ersten beiden Plätze unter sich ausmachen. Dahinter wird es dann sehr eng und hart umkämpft. Rolando Tejeda, Mark Zopp, die Zunker-Brüder, Kai Engelsiepen, Christian Boll. Und ich hoffe natürlich das ich da auch ordentlich mitmischen werde und das ich mich in diesem Pulk behaupten kann. Wie man aber sieht – P3 wird dieses Jahr sehr schwer zu erreichen.
Es ist jetzt bald soweit, in weniger als einer Woche ist der Saisonstart in Melbourne.
Wie groß ist die Vorfreude dass es endlich losgeht und konntest du in der Winterpause deine Akkus ordentlich aufladen um gestärkt und erholt in die neue Saison starten zu können?
Ralf: Die Vorfreude ist groß, allerdings auch die Unsicherheit wohin die Reise geht. Wie schon erwähnt, muss ich in Sachen Training noch einiges aufholen und ich bin gespannt ob mir das noch gelingt. Akkus aufladen konnte ich und ich bin jetzt einfach gespannt auf das erste Rennen und die Kräfteverhältnisse. Das Fahrerfeld ist wieder voll und sehr eng beisammen, die Gemeinschaft einzigartig und wir haben einen meisterlichen Livestream mit den besten Kommentatoren die ich im Simracing bisher gehört habe. Das alles sorgt automatisch für Vorfreude!
Vielen Dank für deine Zeit. Wir wünschen dir einen guten Start in die neue Saison 2021!