Peter Hristov: „Ich hab hier nach gefühlt 50 Jahren Fahrer aus drei Ligen wiedergetroffen.“

McLaren Mercedes tritt nach zwei Siegen in der zweiten Jahreshälfte 2021 mit einer völlig neuen Fahrerkonstellation in der Saison 2022 an. Mit Thomas Walter aus Italien und Peter Hristov aus Bulgarien weist der Rennstall aus Woking nicht nur die internationalste Fahrerpaarung auf, dem Team ist es gelungen, für die Jubiläumssaison zwei Fahrer zu verpflichten, die schon früher einmal in der formel1-liga.de am Start standen. Wir haben Peter Hristov zum Gespräch getroffen.

Mittlerweile seid ihr seit sechs Rennen wieder am Start, aber aufgrund deiner und der Vorgeschichte deines Teamkollegen sei an dieser Stelle noch einmal gesagt, willkommen zurück in der formel1-liga.de ihr beiden. Wie seid ihr oder im speziellen du wieder auf die Liga aufmerksam geworden, wie hast du dich in den vergangenen Jahren im Bereich Sim-Racing fit gehalten und was hat dich letztlich zum Comeback in der Liga bewogen?

Peter Hristov: Hallo Tobias und ein herzlichen Dank für das angebotene Interview, viele Grüße von Thomas ebenfalls. Es ist in der Tat schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche passiert das wir zum Interview eingeladen werden. Wir hatten ja in Ungarn während der Warm Up Session eine Anfrage für Teamspeak Interview von Michael Merkers bekommen. Das kam so unerwartet für uns das wir uns die blödesten Ausreden ausgedacht haben um abzusagen, schlicht gesagt wir hatten gerade Schiss gehabt (lacht). Aber wir geloben Besserung!
Ich war die letzten Jahren bzw bin immer noch bei Virtualracing in diversen Racing Ligen unterwegs. Lange Zeit im DTM Bereich mit Raceroom und Asseto Corsa, sowie Formel 1 auch mit Asseto Corsa. In der Zeit vor virtualracing war ich in anderen Ligen mit GT3 und ebenfalls F1 Auto unterwegs und davor war ich eben hier in der Liga.
Warum der Wiedereintritt – Bei der virtualracing Liga war es letzte Saison nicht klar ob die Liga erhalten bleibt und ich hatte mit den Gedanken gespielt mich nach einer alternative umzuschauen. Ich war mit Mario Söllner über Facebook in Verbindung den ich genauso wie Johann und die Zunker-Brüder noch vor der Formel1Liga.de aus einer anderen Liga kenne. Ich hatte ihn also schon seit längerem gestalkt was er renntechnisch so macht (lacht) und wusste natürlich das er hier Formel 1 fährt.
Mein Gedanke war, wenn ich die Liga wechsle dann nur in eine Liga wo ich die Leute aus alten Zeiten schon kenne. Mario und ich haben uns lange unterhalten, ich habe noch mal geguckt wer hier noch fährt und war überrascht das eine Menge an Leute von damals immer noch fahren, war aber ehrlich gesagt etwas unsicher ob das die gleiche Liga ist von damals oder eben eine neue. Insgesamt kann ich sagen das ich in der Liga hier die Fahrer aus drei Ligen wieder nach gefühlt 50 Jahren wieder getroffen habe (lacht).

In der Szene kennt man dich sicherlich vor allem als Teilnehmer der GT Acadamy, in deren Rahmen du 2015 eine Woche in Abu Dhabi verbracht hast und dich mit den besten Sim-Racern des Kontinents messen durftest. Wie bist du damals dazu gekommen und was für Erfahrungen durftest du da sammeln? Helfen dir die Eindrücke von damals noch heute beim Sim-Racing, und vor allem wo liegen die größten Unterschiede zwischen Simulation und Realität?

Peter Hristov: Das ist eine der krassesten Erfahrungen die ich jemals machen durfte.  Es gibt so viel zu erzählen, aber ich versuche es eher kurz zu halten.
Ich war bei einer GT3 Liga auf PS3 und habe über diesen Weg erfahren das die GT Academy jedes Jahr diesen Wettbewerb veranstaltet – Heutzutage weiß ich nicht ob es immer so ist. Ich habe an einem Live Event in Berlin teilgenommen wo mehrere hundert Teilnehmer versucht haben die ersten zwei Plätze zu ergattern, die die Tickets nach Abu Dhabi sicherten.
Man musste zuerst vor Ort im Simulator eine gewisse Zeit fahren um unter die ersten 20 zu kommen, die am zweiten Tag noch mal gegeneinander eintreten angetreten sind. Es gab noch einiges neben dem Fahren, wie zB Parkuhr mit Geschicklichkeits- und Schnelligkeitsübungen, Interviews auf Englisch und noch mal Fahren. Zum Schluss mussten die besten drei
gleichzeitig gegeneinander um die schnellste Runde fahren. Im Rücken standen alle andere Teilnehmer und haben zugeguckt, so krass war das. Ich konnte in der Tat (höre und staune) den ersten Platz gewinnen. Für dieses Event war eine Sache besonders wichtig. Die Ruhe und die absolute Konzentration für den einen Moment aufrechtzuerhalten. Du wirst in einem Simulator gestellt, kennst Hardware nicht, musst du dich direkt beim Fahren anpassen, dazu stehen alle neben dir und gucken wie du fährst was du machst – Und das wird benotet. Dabei war auch einer der Gewinner der GT Academy aus den Jahren davor. Also Fahren unter hohem Druck war wichtig und das ist auch etwas anders als wenn man zu Hause in Ruhe die schnellsten Runden, eine nach der anderen, auf dem Asphalt brennt.

In Abu Dhabi waren wir 8 Auserwählten aus Deutschland, neben ca 50 – 60 weitere aus ganz Europa. Da habe ich gelernt international mit Leuten zu arbeiten, mich über Autos und Rennen zu verständigen, mit bekannten Persönlichkeiten der GT Academy Szene umzugehen und in der brutale Wüstenhitze zurechtzukommen.

Ich habe dort unter anderem auch gelernt das die Online Fahrer zuerst mal in einem echten Auto schnell zum Überfahren des Autos neigen.
Die große Unterschiede zu der Simulation liegen in erster Linie darin, dass man in der Realität hauptsächlich mit dem Arsch fährt und in der Simulation mit den Augen. Dazu ist der Respekt vor dem Speed viel größer, was einige zuerst überwinden mussten, bevor die schnell wurden. Und nicht zuletzt man muss lernen sehr ruhig zu fahren nicht mit viel Gegenlenken und herumreißen oder wie blöd auf die Bremse zu drücken, sondern es erfordert sehr viel Gefühl, absolut ruhige Hand und feine Fußarbeit – aber irgendwie auf eine andere Art und Weise wie im Simulator.
Man denkt nur das ein Auto mit 180 in einer Kurve nicht viel an Nervosität verzeiht. Und die Online Fahrer waren alle am Anfang viel zu zackig und neigten zum Überfahren.

Eine Sache ist mir besonders aufgefallen, in der Realität ist es mir viel einfacher gefallen das Auto zu verstehen als im Simulator.
Man merkt automatisch welche Linie zu fahren ist oder wie zu lenken ist um schnell zu sein. Das erfordert einen Grundverständnis und ein gewisses Talent, was ohne Zweifel viele der Teilnehmer hatten. Der Rest ist Disziplin, Fleißarbeit, Routine und zum Schluss bleibt das gewisse mehr von dem Talent, das gelernte in echte Taten umzusetzen.

Ich bin ausgeschieden da ich einer Parkuhr-Veranstaltung in der tiefen Wüste bei über 45 Grad überhitzt hatte und konnte meine Muskeln nicht mehr kühlen, ja buchstäblich nicht mehr atmen. Hört sich nach nichts besonderem an, war aber zugegeben lebensgefährlich. Es gab aber vor Ort professionelle Teams auch Ärzte die gar in der F1 unterwegs waren, und die haben mich wieder aufgepeppt. Musste natürlich den Wettbewerb verlassen und nebenbei noch ca die Hälfte der Teilnehmer sind dabei ausgeschieden.

Gemeinsam mit Thomas Walter gehst du in der Jubiläumssaison für McLaren an den Start. Zusammen bildet ihr das Comebacker-Team der formel1-liga.de. Kanntet ihr beide euch schon aus früheren Zeiten oder seid ihr mehr oder weniger spontan zusammengewürfelt worden? Wie klappt die Zusammenarbeit mit Thomas und wie sieht ein typischer Trainingstag im Hause McLaren aus?

Peter Hristov: Wir kennen uns nicht aus der Vergangenheit. Kaum zu glauben das ich jemanden aus der Szene nicht kenne (lacht), ich habe bei ihm nachgefragt und er hat zugesagt. Die Zusammenarbeit ist sehr gut, auch wenn wir manchmal nicht viel freie Zeit haben zum Fahren, und wenn doch, dass der andere auch dabei ist. Aber wenn wir zusammen fahren, tauschen wir die wichtigsten Erkenntnisse über Setup und Strecke aus.
Interessant ist das wir in manchen Punkten doch unterschiedliches Setup fahren aber sehr ähnlich vom Speed sind. Wir checken die Reifen und den Sprit-Verbrauch und fahren lange Stints um Rennen zu simulieren.
Im Rennen selbst informieren wir uns immer wer wie klar kommt, welcher Platz, welcher Verschleiß und Sprit hat.Wenn wir hintereinander fahren und der hintere schneller kann, lassen wir die Plätze tauschen
und verhalten uns sportlich.

Nach sechs Rennen in der formel1-liga.de belegt ihr aktuell die Positionen sieben und zehn in der Fahrermeisterschaft und punktgleich mit Mercedes Platz fünf der Team-Wertung. Wie zufrieden seid ihr mit eurem Saisonstart im Comeback-Jahr und welche Ziele habt ihr euch für den weiteren Saisonverlauf gesetzt?

Peter Hristov: Um ehrlich zu sein, wir sind nicht ganz zufrieden mit der Situation, konnten im großen Ganzen nie das Potenzial abrufen. Bei Thomas ist es in Spanien und Ungarn besser gelaufen aber insgesamt sind wir unter unseren Ansprüchen geblieben.
Wenn ich von mir spreche sollte, hatte ich in zwei Rennen meine gute Platzierung mit Drive Through Strafen zunichte gemacht und einmal in Silverstone hatte ich vergessen beim Reifenwechsel die Mediums aufzuziehen und musste zweimal hintereinander an die Box.
Unsere Ziele sind die Plätze 5 und 6 vor den Mercedes und Christian Boll. In der Qualy klappt es meistens gut, aber oft hatten wir nach dem Start direkt
Platzverluste und sind immer nach hinten gefallen, oder eben Drive Through oder Dreher die uns beiden schon passiert sind.
Wir tun uns ebenfalls schwer die Reifen zu verstehen, oft treffen wir die falsche Entscheidung mit welchen Reifen den zweiten Stint zu fahren ist. Die meisten haben die Erfahrungswerte aus der letzten Saison, wir aber leider nicht. Wir tun uns ebenfalls schwer den Verschleiß gering zu halten und mit abgebauten Reifen noch konkurrenzfähig zu sein.

Wenn man sich die ersten Rennen von euch in der Rückschau betrachtet, stellt man fest, dass ihr beide euch direkt als vierte Kraft im Feld festgebissen habt. Trotzdem hat man das ein oder andere mal das Gefühl, dass vom reinen Speed her, durchaus noch mehr möglich gewesen wäre. Woran liegt es, dass ihr die Geschwindigkeit des Autos bisher noch nicht immer in die maximale Punktausbeute verwandeln könnt?

Peter Hristov: Meine eher dürftigen Ergebnisse kommen unter anderem daher das ich seit langer Zeit Probleme mit der Bremse habe.
Die ist ja oben drauf zwei Tage vor dem Ungarn Rennen ganz kaputt gegangen ist und ich musste mit der Kupplung bremsen.
Das hat mich zwar unsicher gemacht aber manchmal war das gar besser, da ich die Bremse eben geschmeidiger betätigen konnte.

Die Probleme mit der Bremse waren, dass die nicht sofort gewirkt hat, sondern etwas später, dafür aber auf einmal und so stark das ich oft die Reifen vorne blockiert habe. Wenn Reifen blockieren, kriegst du höherem Verschleiß, rutschst du mehr, erhitzt du hinten die Reifen, und der Schlamassel ist damit vorprogrammiert. Dieses Verhalten ist über die letzten zwei Jahre langsam aber stetig immer deutlicher und stärker geworden. Selbst hatte ich mehrere Versuche unternommen um das zu reparieren
aber ich hatte es zum Schluss eher auf mich geschoben als auf eine langsam kaputt gehende Loadcell.

Wenn ich jetzt die Loadcell von Fanatec bekomme, werde ich die Bremse reparieren und dadurch erhoffe ich mir eine bessere Konstanz im Rennen, gerade wenn man leicht korrigieren will, um keinen Cut zu bekommen. Insgesamt sollte die Konstanz und eventuell den Speed etwas besser werden.
Ich wäre dankbar wenn ich im Rennen dadurch konstanter werde.

Schauen wir einmal kurz zum nächsten Rennen nach Aserbaidschan. Baku ist nicht unbedingt ein typischer Stadtkurs und enthält viele High-Speed-Passagen und eine Reihe nervtötender 90-Grad-Kurven. Wie wohl fühlst du dich da, und was versprichst du dir von dem Rennen dort?

Peter Hristov: Ich fühle mich sehr unwohl, da dort oft sehr hart gebremst wird und wenn ich mich vertue, was mit der Kupplung oft passiert, kann ich das Auto nicht gut in die nächste 90 Grad Kurve hineinfahren. Und wenn es blöd kommt, fliege ich raus. Das Bremsen fällt mir hier wesentlich schwerer als in Ungarn. Ich erhoffe mir in den Top 10 zu landen und da bis Ende des Rennens zu bleiben, da ich nur zum Teil konkurrenzfähig bin. Die Bremsreparatur wird vermutlich nicht bis zum Rennen passiert sein.
Für Thomas gelten die Teamerwartungen obwohl, wie er mir berichtet hat tut er sich ebenfalls schwer mit der Strecke.

Und im weiteren Saisonverlauf? Auf welches Rennen freust du dich am meisten?

Peter Hristov: Ich freue mich auf jedes Rennen, vielleicht besonders auf Suzuka, Mexiko , Spa und Holand (lacht).

Peter, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch und deine Zeit und wünsche dir und Thomas weiterhin eine spaßige und erfolgreiche Saison.