Adrian Gredore: „so langsam freut man sich darauf, dass es endlich wieder los geht“

Adrian Gredore, die Winterpause ist fast vorbei und der Sieg in der Weltmeisterschaft 2011 liegt bereits Wochen zurück. Die Saison 2012 beginnst du mit einem neuen Team. Einzig Kai Engelsiepen als Teamkollege bleibt unverändert an deiner Seite. Welche Erwartungen hast du an das Team und die neue WM? Wie ist es, eine neue Saison mit der Startnummer 1 zu beginnen?
Adrian Gredore: Die Winterpause hat schon gut getan, nach dieser langen anstrengenden Saison. Doch so langsam freut man sich darauf, dass es endlich wieder los geht. Die Erwartung an das Team bei Force India wird sein, den zweiten Platz einzufahren. Wie jede Saison ist McLaren absoluter Favorit auf den Titel. Wenn Kevin Pflüger und Andreas Schulz eine normale Saison fahren, werden sie den Titel wohl locker einfahren. Viel wird davon abhängen, ob ich selber eine solche Saison wie 2011 wiederholen kann und ob Kai Engelsiepen sich steigern kann. Doch auch wenn nicht: Der zweite Platz ist zunächst das anvisierte Ziel, womit wir erst einmal zufrieden sein würden. Mit dem neu zusammengesetzten Team bei Renault mit Mario Müller und Brian Klaes haben wir eine sehr starke Konkurrenz. Das werden wohl unsere Hauptkonkurrenten sein. Wenn wir die hinter uns lassen, dann sind wir eine gute Saison gefahren.

Die Nummer 1 auf seinem Auto zu sehen ist natürlich eine ganz große Ehre. Man wird mit Weltmeister angesprochen, was mir immer noch ein Lächeln und ein gutes Gefühl gibt. Es bringt natürlich nicht viel, sich auf seinen Erfolgen auszuruhen. Aber die letzte Saison kann mir keiner mehr nehmen und die Nummer 1 auf dem Auto wird mich eine ganze Saison lang an diese tolle Weltmeisterschaft erinnern.

Barcelona ist eine Rennstrecke die sehr unterschiedliche Facetten hat. Der erste und zweite Sektor ist durch die Start- und Zielgerade, ebenso wie die Gegengerade sehr schnell. Der letzte Sektor kommt mit langsamen Kurven und seit den Änderungen vor wenigen Jahren mit einer engen letzten Schikane. Letztes Jahr lief es hier mit Platz 3 am Ende zwar bei den Punkten noch gut, aber der Zeitabstand mit 44,9 Sekunden kann nicht akzeptabel gewesen sein. Wie kommst du mit Barcelona nach den bisherigen Trainings klar? Bist du fit fürs Auftaktrennen?

Adrian Gredore: Ach, irgendwie habe ich immer das Gefühl, ich hätte mich noch besser vorbereiten können. Da wir aber den gleichen Mod und exakt die gleiche Version der Strecke fahren, sehe ich kein großes Problem, was die Testfahrten bis jetzt auch gezeigt haben. Letztes Jahr war mein Speed ok, ich habe nur kein fehlerfreies Rennen zustande bekommen. Aber auch das sollte dieses Jahr kein Problem darstellen. Das größte Problem wird die harte Konkurrenz sein. Letztes Jahr fuhren in Barcelona Thomas Spieler, Mario Müller und ich um den Sieg. Dieses Jahr werden es sicher noch ein paar mehr sein. Neben den üblichen Verdächtigen scheinen einige andere Fahrer an Speed dazugewonnen zu haben. Es wird ein sehr knappes und spannendes Auftaktrennen. Ich werde die knapp 2 Wochen noch nutzen müssen, um vorne mit dabei sein zu können. Alles Weitere wird sich dann zeigen.

Die Saison startet mit einigen neuen Regeln. Das Regelwerk hält u.a. Richtlinien für die Pitlane während der Qualifikation fest. Aber auch das Verhalten im Zweikampf – also der Spurwechsel – wird besser definiert. Bist du mit den neuen Regularien einverstanden? In wie weit wurden die Fahrer bei der Abstimmung der neuen Regeln mit einbezogen?

Adrian Gredore: Eine Abstimmung gab es direkt nicht. Die meisten Regeln müssen auch einfach vorgegeben werden. Schließlich handelt es sich um professionelle Meisterschaften, nicht um Kindergeburtstage wo jeder machen kann, was er will. Jeder hatte aber die Chance, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Regeln optimiert werden könnten. Es wurde zwar von wenigen Fahrern genutzt. Die Möglichkeit hatte jedoch jeder. Die beiden angesprochenen Regeloptimierungen waren sogar meine Idee. Meiner Meinung nach wurden letzte Saison zu viele Spurchwechsel durchgezogen. Das lag aber auch an der Regelformulierung. Diese wurde jetzt verbessert und trägt hoffentlich zu faireren Zweikämpfen bei.

Auch das Überholverbot innerhalb der Pitlane hatte ich vorgeschlagen. Die meisten Fahrer haben sich zwar immer schön hintereinander an der roten Ampel angestellt. Dann kam aber immer der eine oder andere Fahrer, hatte keine Lust sich ganz hinten anzustellen und fuhr einfach an allen vorbei nach ganz vorne. Das ist meiner Meinung nach kein faires Verhalten und sollte gar keiner Regel benötigen. Offensichtlich versuchen aber einige Fahrer jede Lücke im System für sich zu nutzen und deshalb muss man diese Lücken versuchen zu stopfen.

Virgin Racing war dein Einstieg in die Formel 1 und du hast zwei erfolgreiche Jahre bei diesem Team erlebt. Gleiches gilt für deinen Teamkollegen. Nun stand der Wechsel für beide Fahrer an und beide seid ihr zu Force India gewechselt. Steht der Wechsel in Zusammenhang mit den neuen Beteiligungen an Virgin Racing durch Marussia? Welche Erfahrungen konntest du aus deinen zwei Jahren bei Virgin Racing – jetzt Marussia – mitnehmen? Du hast dem Team immerhin einen WM-Fahrertitel eingefahren und mit Kai Engelsiepen einen WM-Konstrukteur-Titel.

Adrian Gredore: Der Start bei Virgin Racing war einfach sensationell. Schon alleine, weil ich dort Kai Engelsiepen kennengelernt habe. Auch wenn es für ihn nicht immer einfach ist, sich in der Nummer 2 Rolle zu sehen, macht er es perfekt. Wir unterstützen uns immer gegenseitig und pushen uns. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich auch nicht so schnell dort, wo ich sein wollte und jetzt bin. Da ich uns immer als Team sehe, sind meine Erfolge auch seine und umgekehrt.

In der ersten Saison haben wir unsere Teamfähigkeit schon gezeigt, obwohl wir immer noch in der Kennenlernphase waren. Der zweite Platz 2010 in der Team-WM hat dies unter Beweis gestellt. Im zweiten Jahr waren wir schon voll aufeinander eingestimmt und kannten uns sehr gut. Wir konnten uns noch besser ergänzen und beide Titel gleich im zweiten Jahr feiern. Für uns beide war es eine Sensation. Auch für Virgin Racing war es eine große Sache. Die Popularität dieses Teams wäre in der Formel1-Liga.de ohne diese Erfolge sicher nicht so groß. Somit haben beide Seiten davon profitiert. Doch wir wollten auch nicht ewig bei einem Team bleiben und somit war es der perfekte Zeitpunkt, das Virgin Team mit einem WM-Titel zu verlassen und bei Force India den Erfolg zu suchen.

Dieses Jahr sind neue Fahrer wie Martin Uhlemann gekommen. Ein paar Worte von dir zu diesen Fahrern und vielleicht kannst du ihnen ein paar Tipps für die ersten Schritte hier in der Formel1 mitgeben. Was ist zu erwarten bzw. was darf man erwarten?

Adrian Gredore: Martin Uhlemann habe ich von Anfang an bei uns begleiten dürfen. Der Start in einer Liga mit einem so hohen fahrerischen Niveau ist sicher nicht einfach. Doch Martin hat mich positiv überrascht. Der Speed für einen Neuling ist gut. Seine Übersicht in den Zweikämpfen war für seine ersten richtigen Fights absolute Klasse und er nimmt jeden Tipp oder jede Kritik auf, ohne zu murren oder nach Ausreden zu suchen. Ich sehe großes Potential in ihm und denke, dass er sich in seiner Debütsaison beachtlich schlagen wird. Zwei Dinge sind am Anfang entscheidend. Das eine ist Training, das andere Geduld. Trainieren kann man nie genug, besonders als Rookie. Je mehr man trainiert, desto schneller geht es voran. Doch auch mit sehr viel Training kann es eine halbe oder sogar komplette Saison dauern, bis man sein Potential annähernd ausschöpft. Viele neue Fahrer sind schnell gefrustet, weil sie von Anfang an vorne dabei sein wollten. Das ist aber ein Irrglaube, dass dies überhaupt möglich ist. Deshalb darf man nicht nach ein paar Rennen schon an sich selber zweifeln. Deshalb ist Geduld wichtig. Man muss immer an sich glauben, viel trainieren und nach ein paar Rückschlägen nicht gleich verzweifeln. Wenn Martin das beherzigt, sehe ich eine große Zukunft für ihn.